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U.S. Girls: Scratch It (Review)

Artist:

U.S. Girls

U.S. Girls: Scratch It
Album:

Scratch It

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Singer/Songwriter, Memphis Soul, Americana, Classic Rock

Label: 4AD
Spieldauer: 38:37
Erschienen: 20.06.2025
Website: [Link]

Die amerikanisch/kanadische Songwriterin MEG REMY gehört mit ihrem Projekt U.S. GIRLS nicht nur zu den produktivsten Musikerinnen ihrer Zunft, sondern zu denjenigen, die insbesondere im Konzept der Kollaboration aufgehen und sich unter Kollegen den Ruf einer „Musicians Musician“ erworben hat. So wirkte sie zuletzt bei den aktuellen Projekten von BRIA SALMENA, BASIA BULAT oder MATT BERNINGER mit. Auch das nun vorliegende, immerhin neunte U.S. GIRLS-Album „Scratch It“ entstand aus einer Kollaboration heraus.
Als Remy 2024 gebeten wurde, während einer One-Off-Show bei einem Festival in Arkansas aufzutreten – 1000 Meilen von ihrer kanadischen Wahlheimat entfernt – bat sie ihren Freund, den Gitarristen DILLON WATSON, für diesen Zweck eine Band aus U.S.-Musikern zusammenzustellen, damit sie nicht etwa kanadische Kollegen für die Show einfliegen müsste. Da sich die Zusammenarbeit mit diesen Musikern bei den Proben in Nashville und dem Auftritt in Arkansas als höchst angenehm erwies, schlug sie vor, zusammen eine komplette LP aufzunehmen. Hieraus entwickelte sich das Projekt „Scratch It“, welches in Watsons Heimatstadt Nashville weitestgehend live im Studio eingespielt wurde.

Bislang hatte Remy bei den Aufnahmen zu ihren U.S. GIRLS-Alben – abgesehen von gelegentlichen Gastbeiträgen befreundeter Musiker – überwiegend alleine gearbeitet und das Material im Patchwork-Verfahren zusammengesetzt. Die Erfahrung, mit versierten Session-Cracks gemeinsam im Studio zu arbeiten, war also neu für sie, erwies sich aber als so fruchtbar, dass das ganze Album an 10 Tagen eingespielt werden konnte und ihr schließlich so gut gefiel, dass sie in Zukunft bei diesem Format bleiben will.


Musikalisch werden die neuen Songs, wie z.B. die aktuelle Singe „Like James Said“ (in der sie den Funkmaster JAMES BROWN referenziert), von einem saftigen, souligen Southern-Groove getragen, welcher der Provenienz der beteiligten Musiker Rechnung trägt. Hierbei ist festzuhalten, dass die Musiker nicht etwa der Country-Mafia Nashvilles entstammen, sondern der alternativen Leftfield-Szene der Music City. Kurzum: Songs wie „James Said“, „Firefly On The 4th Of July“ oder der „Walking Song“ warten eher mit Southern-Soul-, Classic-Rock- und Gospel-Sounds auf als mit der von Remy bislang präferierten Psychedelia-Vibes.

Um das Album „Scratch It“ von der Hörerseite entschlüsseln und einordnen zu können, kommt man an dem zentralen Stück nicht vorbei. Dieser Song heißt „Bookends“, ist 12 Minuten lang und besteht aus einem Triptychon aus zwei unterschiedlichen Teilen, die musikalisch über eine längere dritte Improvisations-Passage zu einer letztlich schlüssigen Einheit verbunden sind. Dass MEG REMY diesen Track allen ernstes als Single auskoppelte, verrät viel über die Attitüde einer Künstlerin, die sich um Formate, Genres oder Erwartungshaltungen nicht weiter schert, sondern stattdessen konsequent ihre eigenen Visionen realisiert. Dass sie dabei von ihrem Label 4AD unterstützt wird, weiß sie durchaus dankbar und lobend hervorzuheben.

Während MEG REMY auf diesem Track das Leitmotiv des Albums – eine durch das verfremdete Kinderbild auf dem Cover repräsentierte Hommage an die Zeit, die MEG bis zu ihrem Umzug nach Toronto in den USA verbrachte – nur in musikalischer Hinsicht streift, ist „Bookends“ dann lyrisch eine kosmische Kontemplation über den Lauf der Zeiten und wie diese wahrgenommen wird (für die Musikerin jedenfalls viel zu schnell). Unter dem Eindruck des Todes ihres Freundes RILEY GALE von der Band POWER TRIP entwickelte Remy ein komplexes, spirituelles Gedankengefüge, das sich mit der Unausweichlichkeit des Todes und der unterschiedliche Wichtung anonymer und persönlich nahestehender, individueller Todesfälle auseinandersetzt.




Der inhaltliche Aspekt dieses Songs gerät angesichts der wagemutigen musikalischen Umsetzung dabei fast in den Hintergrund. Indem sie hier alle Elemente, die die Charakteristika des Albums ausmachen, in einem einzigen Track zusammenführt, demonstriert sie einen bemerkenswerten dramatischen Instinkt. Der Song beginnt etwa als bluesige Ballade mit Funky-Akzenten, geht dann in eine psychedelische Instrumental-Bridge, die von dräuenden Hammond-Drones und von der Mundharmonika der Nashville-Legende CHARLIE MCCOY geprägt wird, über, bevor das Ganze in einen von Watsons Rhythmus-Gitarre befeuerten discomäßigen Shuffle wechselt, der letztlich in einem frenetische Gospel-Finale mündet, in dem die Musik zum eigentlichen Thema des Songs zurückkehrt – nur auf eine manisch/hysterische Art, welche in einem dystopischen Sound-Strudel ausklingt. Verstehen muss man das alles nicht. Aber faszinierend ist das schon; vor allem deswegen, weil MEG REMY hier unverstellt die kreative Unvernunft regieren lässt.

Logischerweise lassen sich solche Ideen nicht beliebig replizieren, weswegen die restlichen Songs musikalisch allesamt recht unterschiedlich ausfallen und die musikalische Richtungen paritätisch bedient werden. Das ebenfalls von McCoy geprägte „The Cleaning“ ist zum Beispiel ein munterer Folk-Pop-Shuffle, „Pay Streak“ eine Art Cosmic-American-Ballade und der letzte Track „No Fruit“ ein waschechter Glam-Rock-Rausschmeißer.




FAZIT: Obwohl der Schlüsseltrack „Bookends“ das Album „Scratch It“ der U.S. GIRLS monumental dominiert und die Live-Zusammenarbeit mit den beteiligten Musikern zu einem kohärenten Sounddesign führte, gehört „Scrach It“ zu MEG REMYS musikalisch vielseitigsten und abwechslungsreichsten U.S. GIRLS-Arbeiten. „Scrach It“ heißt das Album übrigens deswegen, weil Drummer Domo Donohoe während der Aufnahme-Sessions wegen seines Rubbel-Lose-Fetisches geneckt wurde. Und weil es sich schlicht so anhört, als würde man etwas kratzen, wenn man „Scratch It“ sagt.

Ullrich Maurer (Info) (Review 100x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Like James Said
  • Dear Patt
  • Firefly On The 4th Of July
  • The Cleaning
  • Walking Song
  • Bookends
  • Emptying The Jimador
  • Pay Streak
  • No Fruit

Besetzung:

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